Bekämpfung der biogenen Schwefelsäurekorrosion in Kläranlagen

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2018-10-21 22:00:00


In der Wasserforschung diskutieren österreichische Forscher der TU Graz und der Universität Graz über neue Materialien, die Schäden durch mikrobiell induzierte Betonkorrosion verhindern. 

Abwassersysteme sind integraler Bestandteil der Infrastruktur in jeder Gemeinde. In einer idealen Welt funktionieren sie reibungslos und sind langlebig. Biogene Umwandlungsprozesse in Abwasser- und Wasseraufbereitungsanlagen sind jedoch ein "natürlicher Feind" konventioneller Anlagen und verursachen häufig Schäden an Beton- und Metallelementen, die teuer zu reparieren sind.

So kommt es nicht selten vor, dass Abwassersysteme eine Lebensdauer von unter zehn Jahren haben, bevor sie saniert oder einzelne Komponenten ausgetauscht werden müssen. Toxische Gase, die bei biogenen Prozessen freigesetzt werden, wie z.B. Schwefelwasserstoff, stellen ebenfalls ein erhebliches Gesundheitsrisiko dar und verursachen eine Reihe von Symptomen, von Irritationen bis hin zu Atemstillstand und Tod.

In der Zeitschrift Water Research hat eine interdisziplinäre Forschergruppe der TU Graz und der Universität Graz Strategien zur Verhinderung der so genannten mikrobiell induzierten Betonkorrosion (MICC) entwickelt. Das Forschungsteam besteht aus zwei Mitarbeitern der TU Graz - Cyrill Grengg vom Institut für Angewandte Geowissenschaften und Florian Mittermayr vom Institut für Technologie und Baustoffprüfung - sowie Günther Koraimann vom Institut für Molekulare Biowissenschaften der Universität Graz.

 

Mikrobiell induzierte Betonkorrosion

Cyrill Grengg vom Institut für Angewandte Geowissenschaften der TU Graz erklärt: "MICC korrodiert häufig die in Kläranlagen verwendeten konventionellen Betonsorten mit einer Rate von einem Zentimeter oder mehr pro Jahr. Dementsprechend können die Betonelemente innerhalb weniger Jahre zerstört werden, was zu erheblichen Schäden an den Abwassersystemen führt".

Nach Ansicht der Forscher fehlt oft das Bewusstsein für diese Prozesse und die daraus resultierende Gefährdung der Abwasserinfrastruktur und der menschlichen Gesundheit. "Die Schachtabdeckungen zu schließen und in die andere Richtung zu schauen, ist nicht die Lösung", fügte Grengg hinzu. Allein in Deutschland werden die wirtschaftlichen Auswirkungen der Sanierung von Abwassersystemen auf rund 450 Millionen Euro pro Jahr geschätzt. Obwohl derzeit keine Daten für Österreich vorliegen, können die Kosten extrapoliert und auch auf andere europäische Länder übertragen werden.

Die mikrobiell induzierte Säurekorrosion (MICC) in Kläranlagen resultiert aus einer Folge von biogenen Sulfatreduktionsreaktionen mit anschließender Reoxidation. Zunächst wird Sulfat in Druckrohrleitungen oder stehendem Abwasser durch Bakterien unter anaeroben - oder sauerstofffreien - Bedingungen unter Bildung von Schwefelwasserstoff reduziert.

Dieses scharfe, hochgiftige Gas entweicht in die Kanalluft und diffundiert in Kanalrohre und Schächte. Dort findet die Reoxidation durch autotrophe Bakterien an Betonwänden statt, die nicht einmal mit Abwasser in Berührung kommen.Biogene Schwefelsäurekkorosion Kläranlage

Ganzheitliche Lösung

Die Grazer Wissenschaftler arbeiteten an einer ganzheitlichen Lösung mit einem interdisziplinären Forschungsansatz. Auf die intensive Erforschung der mikrostrukturellen und mikrobiologischen Prozesse folgte die Entwicklung neuer MICC-resistenter Werkstoffe in enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Bauwesen und Baustoffe der TU Darmstadt.

Dabei erwies sich Geopolymerbeton als besonders gut geeignet, um Säurekorrosion zu widerstehen. Bei der Entwicklung dieses Baustoffes war die Säurebeständigkeit eine äußerst wünschenswerte Eigenschaft, ebenso wie die stark antibakteriostatischen Oberflächen, auf denen das Forscherteam bedeutende Fortschritte machte - Mikroorganismen, die den ersten Oxidationsprozess auslösen, können sich auf diesen Oberflächen gar nicht erst ansiedeln. Dies wiederum verhindert die Bildung von Schwefelsäure.

Florian Mittermayr vom Institut für Technik und Prüfung von Baustoffen der TU Graz: "Wir haben vielversprechende Ergebnisse mit Materialien erzielt, die eine wesentlich höhere Lebensdauer haben als herkömmlicher Beton. Die Verwendung dieser langlebigen Materialien würde es den Betreibern ermöglichen, beschädigte Abwassersysteme zu sanieren, ihre Lebensdauer erheblich zu verlängern und die finanzielle Belastung der Kommunen und Abwasserverbände zu verringern."

 

Vorteile mit Kunststoff

„Die Untersuchungen der Grazer Wissenschaftler bestätigen einmal mehr, wie stark Betonschächte und -rohre in unseren Abwassersystemen angegriffen werden können und zum Teil schon nach wenigen Jahren saniert oder ersetzt werden müssen. Der Werkstoff Kunststoff bietet hier den entscheidenden Vorteil, biogene Schwefelsäurekorrosion findet bei Rohren und Schächten aus Kunststoff nicht statt.

Durch den Einsatz von hochwertigen Systeme z.B. aus Polypropylen (PP) kann eine Lebensdauer von 100 Jahren und mehr erreicht sowie aufwendige und kostspielige Sanierungen von Abwasserschächten und -rohren deutlich reduziert werden. Somit sind Kunststoffschächte und -rohre ein aktiver Beitrag zu langlebigen und dichten Kanalsystemen, effektiver Kostenreduzierung und schlussendlich günstigen Abwassergebühren für die Bürgerinnen und Bürger,“ ergänzt Günter Brümmer, Produktmanager Wavin GmbH, zum Thema biogene Schwefelsäurekorrosion.

 

 

(Veröffentlicht wurde der Originaltext: Water Research 134 (2018) 341 - 352: "Advances in concrete materials for sewer systems affected by microbial induced concrete corrosion: A review.")